Von Leo Petersmann
In Berlin habe ich 10 Jahre lang zu einer ökologischen Gruppe gehört: „Aufbruch anders besser leben“. Wir haben uns zwar manchmal an öffentlichen Aktionen beteiligt, aber das zentrale Anliegen war, unser eigenes Leben zu verändern und uns dabei gegenseitig zu unterstützen.
Der Impuls entsteht natürlich aus der Überzeugung, daß unsere Lebenswelt beschädigt und beschädigend ist und daß wir notwendig eine grundsätzliche Wandlung und Heilung brauchen. Und daß die große Krise, die längst sichtbaren Veränderungen und die universalen Lebenskräfte unsere wichtigsten Kraftquellen dafür sind.
In dieser Gruppe habe ich Mark kennen gelernt. Er hat dann in Deutschland und im Ausland nach Möglichkeiten gesucht, das „andere Leben“ zu verwirklichen. Jetzt bearbeitet er seit einem Jahr zusammen mit Paola, seiner italienischen Partnerin, in Apulien ein eigenes Stück Land mit Olivenbäumen, einem Gemüsegarten und 2 Bienenvölkern. Sie wohnen zu dritt in einem gemieteten Haus mit „Strumpf“, einem zugelaufenen schwarzen Hund, der anhänglich und freiheitsliebend ist. Das Haus hat keine Wasserleitung, sondern sie leben aus der Zisterne unter dem Haus, die jeden Winter vom Regen gefüllt wird.
Im Gelände am Haus habe ich geholfen, Feigen zu ernten und für den Winter zu trocknen. Das extra gebaute Trockenhaus hat noch nicht gut funktioniert. Aber in der Sonne auf den traditionellen Bambushürden wurden die Feigenhälften ganz gut trocken.
Die meiste Arbeit forderte der Gemüsegarten: regelmäßig bewässern mit Pumpe, Schlauch und Gießkanne aus der Garten-Zisterne, die vielleicht einige hundert Jahre alt ist; die neuen langen Hügelbeete für den Winter besäen mit Mangold, Kichererbsen, Chicorée-Salat und Artischocken; Zweige schneiden und damit die Grabenbeete füllen, sie mit Pappe bedecken und dann zusammen mit den Hügelbeeten dick mit Stroh mulchen.
Die schwerste Arbeit im Garten war die Reinigung der Zisterne, vielleicht das erste Mal seit 50 oder mehr Jahren. Nachdem das Wasser verbraucht war, haben wir mit Eimer und Seil 1-2 Kubikmeter Schlamm ausgehoben und mit der Schubkarre zu einem langen Hügelbeet aufgekippt. Das ging nur mit Hilfe eines afrikanischen Arbeiters aus dem Senegal, der in einer Gemeinschaft in der Nähe lebt. Ich habe für kurze Zeit den Eimer hochgezogen und gemerkt: Das kann ich nicht lange machen. Es war für mich Anforderung genug, den Schlamm wegzufahren.
Am Anfang des Grundstücks beim Weg steht ein quadratisches Häuschen für das Werkzeug, auf dem flachen Dach die Bienenkästen. Natürlich ist das Dach dazu eingerichtet, Wasser aufzufangen. Mark hat dafür eine große Plastik-Zisterne gekauft. Die haben wir vorsichtig mit dem Dach verbunden. Das ging nur in den frühen Morgenstunden, wenn die Bienen noch schliefen.
Der gesamte Olivenhain war im vorigen Herbst mit Gründüngung besät worden. Jetzt lagen die Pflanzen vertrocknet am Boden: ein Grund zur Unruhe. Denn jederzeit kann eine Glasscherbe oder ein unfreundlicher Nachbar dafür sorgen, daß alles abbrennt. Das ist die übliche Art, seinen Ärger auszudrücken. Darum pflügen „normale“ Menschen ihre Olivenhaine und Felder alle Vierteljahre und besprühen sie gegen Unkraut mit dem gefährlichen Herbizid „Roundup“ von Monsanto – das ökologische Hauptproblem in der Gegend.
Der Rückweg vom Garten diente manchmal dazu, am Wegrand Feigen zu pflücken. Viele Grundstücke sind verlassen. Man geht auf dem Weg zwischen zwei Steinmauern entlang, die alle Anwesen und Felder begrenzen. Die Steine sind aufgelesen vom Feld und sorgfältig ohne Mörtel aufgeschichtet, wahrscheinlich schon seit Generationen. Sie zeigen ähnlich wie Jahrhunderte alte Olivenbäume die Handschrift der Menschen, die schon vor langer Zeit diesen Boden bearbeitet und von ihm gelebt haben. Und immer wieder habe ich mich unterwegs an den leuchtenden blauen Trichterwinden gefreut, die ein Stück Mauer überwucherten.
In der Regel haben wir nur vormittags und abends im Garten gearbeitet. In der Mittagszeit war es zu heiß. Da konnte ich schlafen, Tagebuch schreiben oder lesen, z.B. über Gartenarbeit nach Grundsätzen der Permakultur: spannend! Ich habe auch Arno Sterns Einsichten zu Kinderbildern weiter studiert. So bin ich mit meinem Ausbildungskurs in Paris verbunden geblieben.
Mark hat die Bepflanzung für den Winter geplant: Welche Pflanzen verbessern den Boden, schützen gegen den kalten Nordwind, geben Schatten, vergrößern den Ertrag des Gartens, dienen der Schönheit und dem Wohlgefühl? Paola arbeitet von Zeit zu Zeit in Rom als Clownin im Krankenhaus und pendelt zwischen beiden Welten. Auch ihre Arbeit trägt also auf ganz andere Weise bei zur Heilung der Erde.
In unmittelbarer Nachbarschaft gibt es vier weitere Anwesen. Davon sind zwei bewohnt, zum Glück von Menschen, die auch eher ökologisch denken und handeln. Das ist ungewöhnlich. Mit ihnen gibt es einen freundlichen Kontakt.
Darüber hinaus habe ich ein bißchen von den Verbindungen mitbekommen, die Mark und Paola inzwischen gefunden haben: eine Initiative „Erde frei von Gift“, in der sich Menschen aus der Umgebung für eine Landwirtschaft ohne Herbizide engagieren; eine Aktionsgemeinschaft gegen die Verbreiterung einer Straße, die zu mehr Verkehr und Nobel-Bebauung führen wird; die Gemeinschaft in der Nähe, die ökologische Gartenarbeit und Theaterarbeit verbindet und in der Mark und Paola vorher gelebt haben; sonntäglich fand in einem Nachbarort eine Fortbildung für Permakultur statt, wo Menschen mit alternativem Interesse zusammenkamen; und gerade begann eine Yogagruppe mit 10 Menschen aus der Umgebung, die fortgesetzt werden soll.
Wenn Besuch kam, war es für mich zunächst mühsam. Ohne Italienisch und mit ganz wenig Englisch konnte ich mich schwer verständigen. Aber mit der Zeit fiel es mir leicht, still dabei zu sein und auf die Gesichter, die Hände und die Musik des Gespräches zu achten.
Von der Umgebung habe ich wenig gesehen. Es war mir zu viel, zu heiß, zu unruhig. Wir waren 2x zum Baden am Strand, haben mehrmals in der Stadt auf dem Markt eingekauft und einen Rundgang durch das alte Ostuni mit seinen weißen Häusern und engen Gassen gemacht. Schon vor 2000 (und mehr) Jahren haben hier Menschen gelebt, vielleicht sogar hinter diesen Mauern. Wie haben sie wohl ihr Leben organisiert?
Mark hat mit mir eine kleine Wanderung durch die Macchie gemacht zu einer Eremiten-Höhle im Wald, wo jemand in Stille verbunden war mit der Natur und mit der großen Kraft des Lebens, der Wasser für sich in einer Fels-Zisterne sammelte und vermutlich von der Bevölkerung mit Essen versorgt wurde, während er für sie die tiefere Verbindung zu den tragenden Kräften hielt.
Das ist vielleicht eine Aufgabe, die ich mitbringe: Verbindung halten zu den tragenden Kräften, nicht als Eremit, sondern im Kontakt mit Menschen und Gruppen in Witzenhausen und anderswo.
Und ich bringe die beglückende Erfahrung mit, für 3 Wochen im Frieden einer kleinen freundlichen Gemeinschaft zu leben und beizutragen zur Verwirklichung von zukunftsfähigem Leben, zu ersten kleinen Schritten, die immer wieder Mut und Neubesinnung und Geduld brauchen.
Vielleicht klingt die Überschrift „Heilung der Erde“ großspurig. Aber „die Erde“ ist ja nicht nur unser Planet, sondern auch der Boden, auf dem alles wächst, was wir essen, und alles geschieht, was wir tun. Und jeder kleine achtsame Schritt trägt bei zur Heilung des Planeten.
Dazu noch einen Satz aus der Friedenstagung in Konstanz, die ich vor der Italienreise besucht habe. Er stammtvon einem 81jährigen buddhistischen Mönch, Friedensaktivisten und alternativen Nobelpreisträger aus Thailand:
Wenn du merkst, daß die Welt um dich herum voll ist vom Lärm der Zerstörung, dann bedenke:
Ein stürzender Baum macht Lärm, ein wachsender Baum ist still.